Platte des Monats Juli 2016
Róisín Murphy - Take Her Up To Monto [Play It Again Sam]
Je länger die Karriere dauert, desto mehr neigen die meisten Musiker dazu, sich zu wiederholen. Ganz anders bei Róisín Murphy. Auf ihrem vierten Soloalbum ist die ehemalige Moloko Sängerin so weit weg vom Mainstream wie nie zuvor. Und das ist verdammt gut so.
Monto – der Spitzname des ehemals größten Rotlichtviertels Europas in Dublin, rund um die namensgebende Montgomery Street. Dorthin nimmt uns Roísín Murphy auf ihrem vierten Soloalbum „Take Her Up To Monto“ mit. Und passend zu dieser etwas zwielichtigen Szenerie spielt auch das gesamte Album durchgehend mit Licht und Schatten. Inhaltlich geht es viel um Absturz, enttäuschte Hoffnungen und darum, den eigenen Erwartungen nicht mehr gerecht zu werden. Aber viel spannender ist, wie die Irin ihr neues Album musikalisch umsetzt. Sie spielt mit den verschiedensten Genres und Klängen und erzeugt damit eine einzigartige Spannung. Die Produktion ist so vielfältig, dass bei jedem Hördurchgang neue Details im Sound auffallen, die „Take Her Up To Monto“ zu einem echten Hörerlebnis machen – komplex und dabei trotzdem eingängig und angenehm anstrengend.
“It’s me and my rhythm. It’s very simple, really – but very complicated.”
Vorbei sind die Zeiten, in denen Róisín Murphy als Teil des Duos Moloko in eingängig tanzbarem 90er-Elektro dazu aufgerufen hat, ihre Songs "zurückzusingen". Seit der Trennung vom Musik- und Lebenspartner Mark Brydon lebt sie sich künstlerisch so richtig aus. Mode spielt eine zentrale Rolle in ihrem öffentlichen Auftreten und ihre Performances bekommen gern den Stempel „Avantgarde“ verpasst. Auch bei allen Musikvideos seit dem letzten Album "Harless Toys" hat sie selbst Regie geführt. Das Produzieren von tanzbaren Radiohits ist vollkommen in den Hintergrund gerückt. In ihrer Position als Kritikerliebling kann sie sich das Experimentieren erlauben und kostet das sehr aus.
Da wird auf dem Opener „Mastermind“ Sprechgesang kombiniert mit schrägen Harmonien und synthetischen 80s Sounds und überall klickert und klimpert es. Dahinter stecken aber gut gemachte Melodien, die durchaus auch in einem Folksong Platz hätten. Nicht zufällig ist „Take Her Up To Monto“ auch der Titel eines Songs, den die Dubliner in Irland populär gemacht haben.
Doppelschlag nach acht Jahren Babypause
THUTM erscheint nur gut ein Jahr nach seinem Vorgänger „Hairless Toys“, das bereits sehr gute Kritiken erhalten hatte und für den rennomierten Mercury Prize nominiert wurde. Und das ist kein Zufall. Große Teile des neuen Albums sind in der gleichen Aufnahmesession entstanden wie der Vorgänger. Dass diese Session insgesamt nur fünf Wochen gedauert hat, macht es noch erstaunlicher, dass dabei zwei Alben herausgekommen sind, die voller Ideen stecken und fast durchgängig aus Songs bestehen, die die 5-Minuten-Marke sprengen. Im Vergleich zu „Hairless Toys“ hat „Take Her Up To Monto“ eine noch größere Bandbreite zu bieten. Bei Songs wie „Lip Service“ erlaubt sich Produzent Eddie Stevens auch mal, die Melodie und die bossa-nova-inspirierte Stimmung für sich selbst sprechen zu lassen. Und mit „Romantic Comedy“ enthält das neue Album den wahrscheinlich stärksten Song von Murphys gesamter Solo-Karriere. Die Aspekte Komplexität, Abwechslungsreichtum, Eingängigkeit und Tanzbarkeit, die die Musik von Rósín Murphy so auszeichnen, sind hier perfekt ausbalanciert. Es wird schwer, das nochmal zu toppen.
Take Her Up To Monto von Rósín Murphy erscheint am 8.7.2016 bei Play It Again Sam